Die Dokumentation „Bauernhöfe in Bleicherode bis 1960“

 

Bleicherode entstand als ländliche Siedlung, die sich vom Bleichtal her am Bleichbach entlang nach Osten hin entwickelte. Die Hauptachse der Stadt bildet noch heute die am Feuerteich beginnende Hauptstraße, die sich über den Kittel in die Bahnhofstraße verlängert. Höfe, Handwerksplätze und Häuser wurden längs dieser Achse und des wasserspendenden Bleichbachs errichtet. Der Bleichbach verläuft noch heute neben oder unter der Hauptstraße.

 

Der Bach war für die Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung, Vieh und Pflanzen brauchten Wasser. So haben sich die Bauernhöfe am Bach angesiedelt, in angemessener Entfernung zueinander. Die freien Flächen wurden mit Handwerksstellen und Wohnhäusern besetzt. So ergab sich im Lauf der Jahrhunderte eine Mischsiedlung, in der sich die Landwirtschaft erhielt und mit ihren Betrieben sowie Familien bis 1960 einen wichtigen Teil der städtischen Struktur darstellten. Ihre Inhaber nahmen als anerkannte Bürger voll am gesellschaftlichen Leben der Stadt teil. Sie betätigten sich in Vereinen und waren Stadtverordnete. Eine Besonderheit war sicher auch, dass die Wohnhäuser der Bauern direkt an der Hauptstraße lagen und sich in deren Bebauung ganz normal einreihten. Hinter den Wohnhäusern lagen die Höfe und Betriebsgebäude (Ställe, Scheunen). Große Toreinfahrten ermöglichten den Acker- und Erntewagen die Durchfahrt zum Hof. Das Leben inmitten der Stadt und die Teilnahme am städtischen Alltag machte die Bauern zu sogen. Ackerbürgern.

 

Beginnend am Feuerteich und bis zum Kittel lassen sich mindestens 15 Bauernhöfe feststellen, die sich mit ihren Wohnhäusern direkt an der Hauptstraße befanden. Die Bauern führten ihre Betriebe und die Bewirtschaftung der Ackerflächen außerhalb der Stadt von den in der Stadt gelegenen Höfen aus. Die Pferde- und Viehställe umsäumten den hinter dem Wohnhaus liegenden Hof, hier befanden sich auch größere Schafställe. Deshalb gehörten Pferdefuhrwerke, Acker- und Erntewagen ebenso zum täglichen Stadtbild wie Kuh- und Schafherden.

 

In späterer Zeit entstanden weitere Bauernhöfe, die mehr zum Stadtrand hin lagen: Löwentorstraße, Bahnhofstraße, Angerbergstraße. Um 1960 bestanden ca. 30 landwirtschaftliche Betriebe in der Stadt, von denen einige Kleinbetriebe im Nebenerwerb geführt wurden.

 

Die Betriebsgrößen waren sehr unterschiedlich. Im Normalfall lag sie wahrscheinlich zwischen 50 und 100 Morgen.

 

Bis 1960 hatten die Bauern in der DDR die freie Verfügungsgewalt über ihre Betriebe. Dann wurde die Sozialisierung durchgeführt, bei der die Landwirte letztlich ihre freie landwirtschaftliche Existenz verloren. Sie und ihre Familien wurden Arbeitnehmer der LPG, deren Großbetriebe außerhalb der Städte und Dörfer errichtet wurden. Die Aussiedlung der in Städten liegenden landwirtschaftlichen Betriebe wäre wohl irgendwann aus städtebaulichen und hygienischen Gründen unvermeidlich gewesen. Auch ist die Frage, ob nicht viele Kleinbetriebe irgendwann hätten aufgeben oder sich größeren Kooperationsformen anschließen müssen. Nicht akzeptabel war die politisch motivierte, zwangsweise Sozialisierung der gesamten Landwirtschaft, die einen ganzen Berufsstand beseitigte.