Die Sammlung „Handweberei“
Die Wirtschaftsstruktur Bleicherodes war vor 1939 stark von der privaten Leinenweberei und dem Textilhandel geprägt. Es gab große und mittelständische Webereien, Nähereien und Handelsfirmen. Zu den größten Betrieben zählten die Webereien Schönheims’ Wwe. (Lindenstraße), Philipp Schlesinger (Niedergebra), Karl Helft (Nordhäuser Straße). In der textilen Produktion und im Handel wurden zahlreiche Arbeitnehmer beschäftigt. Der Anteil jüdischer Unternehmer war sehr groß.
Die Weberei vor der Industrialisierung und Mechanisierung war ein Handwerk, das von Privaten in der Stadt und in umliegenden Dörfern betrieben wurde. Haupt- oder nebenberuflich. Die Händler in der Stadt kauften bei den Handwebern die Fertigware auf. Die Produktion beschränkte sich auf Leinen. Die Leinenbahnen wurden zum Bleichen auf den Wiesen, vor allem am Ausgang des Bleichtals ausgelegt. Mit der Einführung der mechanischen Weberei entstanden große Produktionsbetriebe in der Stadt. Das Heimweben in den Dörfern hörte auf.
In der Webereiausstellung befindet sich ein Webstuhl aus dem 17. Jh. Ebenfalls ein Jaquardwebstuhl aus dem 19. Jh. Die Erfindung des Jaquardwebstuhls 1805 durch den Franzosen Jaquard ermöglichte mit Hilfe der erstmaligen Verwendung von Lochkarten die Herstellung großflächiger Muster. Eine solche Lochkartenmaschine ist in der Ausstellung zu sehen.
Zur Herstellung von Leinen benötigt man Garn. Dieses wird mühsam aus Flachs gewonnen. Noch heute gibt es große Anbaugebiete für Flachs, z.B. in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und in Osteuropa. Früher war der Flachsanbau für den Grundstoff der weit verbreiteten Handweberei weit verbreitet und eine gute Einnahmequelle für die Landwirtschaft. Deshalb zeigt die Ausstellung auch die Produktionsgeräte für die Gewinnung von Flachs und dessen Aufbereitung zum Garn.
An den Webstühlen wird regelmäßig durch eine Fachkraft für Schüler und interessierte Erwachsene Werkunterricht in Handweben erteilt.
Die Herstellung von Webgarn:
Nach der Aussaat im Mai wird der Rapshalm nach etwa 100 Tagen 120 cm hoch und dann geerntet. Er wird in Hocken aufgestellt und 14 Tage lang getrocknet. Die Samenkapseln werden vom Stengel gelöst, indem die Stengelbüschel durch die 1 cm von einander abstehenden Zinken der Riffel gezogen werden. In der Rundung des Stengels liegt die verwertbare Bastfaser. Um sie vom Stengelkern und der Rinde zu lösen, kommen die Flachsbüschel in die Rotte, in der sich durch Feuchtigkeit (z.B. Wasser) derStengelleim auflöst und durch späteres Reiben die Holzteilchen der Stengel abspringen. Es folgen 3-4 Wochen Trocknung (Luft-oder Feuertrocknung). Der getrocknete Flachs wird auf der Breche gebrochen, wobei sich die Fasern von der Stengelmasse trennen. Die elastischen Fasern werden nicht beschädigt. Mit Hilfe der Schwinge werden die freigelegten Fasern von den Resten des Stengelholzes befreit, wobei die Flachsbündel durch den Ausschnitt des Schwingbocks geführt und der herunterhängende Teil mit dem Schwingbrett ausgeschlagen wird. Übrig bleibt der Schwingflachs. Dieser wird durch die Zinkenfelder der auf dem Hechelbock befestigten Hechel gezogen. Nach mehrfachem Durchziehen bleiben 70 % des Materials hängen oder fallen zu Boden. Die zurückbleibenden langen Fasern werden gebürstet und in Docken (Zöpfe oder Knocke) gelegt. Sie können versponnen werden. Für die Verarbeitung auf dem Spinnrad werden sie auf einen Spinnrocken gewickelt, den man auf das Spinnrad setzt. Beim Spinnen werden die Fasern mit wasserfeuchten Fingern zu einem wasserfeuchten Faden gedreht und auf die Spule geführt. Nach dem Spinnen wird das Garn auf dem Haspel zu gleichmäßigen Garnmengen aufgewickelt. Nach dem Abhaspeln wird das Garn mit heißem Wasser und mit Pottasche gewaschen. Das getrocknete Garn wird sodann auf die Garnwinde gelegt. Mit Hilfe des Spulrades werden schließlich die für das „Scheren“ benötigten Spulen für das Weberschiff gewickelt.
Die Geräteausstellung wird ergänzt durch Bild- und Textplatten, die eine von Jürgen Holzapfel erarbeitete Dokumentation der ehemals in Bleicherode tätigen Webereien und Textilhandelsfirmen wiedergeben. Die jüdischen Betriebe wurden 1938/39 enteignet und alle Webereien in der DDR-Zeit vom Staatsbetrieb Cottana übernommen. Nach der Wende 1989/90 stellte dieser seine Arbeit wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit ein. Die Textilhandelsunternehmen waren bereits in der Nachkriegszeit eingegangen.